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Artikel in der Galvanotechnik 11/ Nov. 98

Fachzeitschrift Galvanotechnik , Deutschland 

Mit Know-how zur abwasserarmen Galvanik
Bericht über die Firma Multi- Veredelung GmbH in Schliengen,
welche in Deutschland zum Stand der Technik erklärt wurde


Obwohl derzeit vor allem die Bereiche Automobil- und Maschinenbau einen dringend erforderlichen Boom zu verzeichnen haben, leiden weite Teile der Oberflächentechnik nach wie vor unter einer Stagnation oder teilweise auch abbröckelnden Geschäften. So ging vor allem der Marktbereich der dekorativen Galvanotechnik in den letzten Jahren spürbar zurück - meist waren entsprechende Produktionsbetriebe ins Ausland verlegt oder geschlossen worden. Nur sehr selten wurden neue Betriebe in Deutschland aufgebaut oder Kapazitäten erweitert. Zudem besitzt Deutschland als Hochlohnland auch in der Galvanotechnik mit seinem hohen Anteil an manuellen Arbeiten z. B. im Bereich Be- und Entstückung von Gestellen ungünstige Voraussetzung gegenüber anderen Ländern.

Selten ergibt sich dadurch die Gelegenheit, über neue Unternehmen zu berichten. Eine solche Möglichkeit bot sich mit der Multi-Veredelung GmbH, die Ihren Produktionsbetrieb in Schliengen im Dreiländereck Deutschland, Frankreich und der Schweiz aufgenommen hat. Aber nicht nur der Standort legt die Multinationalität nahe, auch für den Aufbau des neuen Unternehmens waren Spezialisten aus Deutschland und der Schweiz zusammengekommen. Die Konzeptionierung der Anlagen hatte die Firma Robert Kistler Engineering, Nussbaumen/Schweiz, übernommen. Für die Erstellung der Galvanikanlage zeichnete die FKG, Pforzheim, verantwortlich, und die Einrichtungen für die Wasser- und Abwasseraufbereitung schließlich waren von der Firma Christ AG, Aesch/Schweiz, die u.a. auch den französischen Markt beliefert, konzipiert und eingerichtet worden.

Neben dem für eine Lohngalvanik selbstverständlichen Streben, eine optimal und kostengünstig arbeitende Galvanikanlage zu erhalten, stand von Anfang an für Kunden und Lieferanten die Bestrebung im Vordergrund, ein umwelt- und kostenbewußtes Wassermanagement zu betreiben. Hierunter verstanden die Beteiligten die sinnvolle Verwendung von unterschiedlichen Wasserqualitäten und die höchstmögliche, noch wirtschaftlich vertretbare Wassernutzung.
 

Multi-Veredelung GmbH

Für die Durchführung der Planungen hatten die verantwortlichen Initiatoren Robert Kistler verpflichtet, der sich seit einigen Jahren mit der Planung und Beratung von Galvanoanlagen befaßt. Die Aktivitäten sollten zu einem neuen Galvanikbetrieb führen, der im angrenzenden Deutschland ansässig sein sollte und die für die Produktion der beteiligten Unternehmen notwendigen Techniken auch für die Veredlung von weiteren Produkten zu Verfügung stellt. Die Entscheidung für Deutschland war u.a. darin begründet, die Nachteile der schweizer Produzenten als EU-Ausländer auszugleichen. Die Multi-Contact AG ist seit längerem weltweiter Lieferant für elektrische Steckverbinder und Kontaktelemente. Die neue Multi-Veredelung sollte auch vorzugsweise mit den hierfür erforderlichen speziellen Oberflächenbeschichtungsverfahren ausgestattet werden und diese für einen breiteren Abnehmerkreis zugänglich machen. Darüber hinaus sollte das neue Unternehmen auch auf das Know-how und die vorhandenen Produktionskapazitäten der Partnerin Rero AG zurückgreifen können.

Neben den galvanischen Techniken war geplant, das Unternehmen mit den neuesten und besten Verfahren zur Wassereinsparung und Abluftminimierung auszustatten und die neuesten Kenntnisse in Bezug auf die optimalen Spültechniken anzuwenden. Nach der Erstellung eines ersten Vorprojekts, in das bereits der Abwasserspezialist Christ AG einbezogen wurde, und bei dem die Beschichtung der unterschiedlichsten Substrate (Kupferlegierungen, Edelstahl) mit verschiedenen Schichtsystemen kalkuliert wurde, erfolgte nach einer Reduzierung des Investitionsumfanges die ersten sondierenden Gespräche mit dem Landratsamt Lörrach unter Federführung der Firma Kistler . Nach den Feinarbeiten am Projekt wurde bereits die mündliche Zusage vom Landratsamt Lörrach erteilt. Die Wasser- und baurechtliche Genehmigung des Landratsamt Lörrach lag mit Auflagen zur Geräuschemission kurz darauf vor .

Das Pflichtenheft für die gesamte Anlage konnte nun fertiggestellt werden. Zwei Monate später konnte vor allem wegen der Terminsituation und akzeptablen Preisen die Galvanoanlage an die FKG, Keltern, und für die Wasseraufbereitung an die Christ AG, die sich bereits im Rahmen des Vorprojekts mitgearbeitet hatte, vergeben werden. Gleichzeitig wurden Koordination und Schnittstellenbestimmung zwischen den Systemkomponenten Galvanik, Zuwasser, Abwasser, Zuluft, Abluft, Bau, internes Handling, Medienfluß usw. vorgenommen. Schließlich wurden die Portale für das Transportsystem der Galvanik im Firmengebäude der Multiveredelung errichtet und damit der Beginn der Bodenbeschichtung ermöglicht.

Nachdem bereits zahlreiche Koordinationsprobleme mit den Handwerkern die Fertigstellung am Gebäude in Zeitverzug gebracht hatten, ergaben sich durch ungünstige Wetterverhältnisse weitere Verzögerungen, da die Trocknung der Bodenbeschichtungen nicht in der vorgesehenen Zeit erfolgte. Schließlich konnten die ersten Tests und Probeläufe der Anlage vorgenommen werden und bald erfolgte die Begutachtung der Anlagen durch die DEKRA und die wasserrechtliche Abnahme durch das Gewerbeaufsichtsamt Freiburg. Inzwischen wird im Unternehmen mit acht Mitarbeitern produziert.

 

 

Gelungene Kooperation im Anlagenbau

Das Engineering der gesamten Anlagen lag bei Robert Kistler, wobei er auf die praktischen Bedürfnisse und Vorgaben der Herren Rolf Tschopp und Eric Jeker von Rero AG zurückgreifen konnte. Der gelernte Galvaniseur hatte bei der BBC (Baden) von der Position des Vorarbeiters in der Galvanik über die Verwaltung, QS bis hin zu Prozeßverfolgung im Bereich Galvanik Erfahrungen gesammelt. Seine technischen Qualifikationen hat er durch ein Studium zum Eidg. Dipl.-Betriebstechniker TS und eine anschließende Tätigkeit bei einer galvanotechnischen Lieferfirma vervollständigt. Seit 1991 setzt Robert Kistler sein erworbenes Wissen aus dem Bereich der Anlagentechnik für galvanische Verfahren in seinem eigenen Unternehmen um, wo er sich vorwiegend mit der Entwicklung von und dem Handel mit galvanischen Anlagen und der zugehörigen Umwelttechnik befaßt.

Ebenfalls seit 1991 arbeitet die FKG in Keltern (zwischen Pforzheim und Karlsruhe). Mit 25 Mitarbeitern beschäftigt sich das Unternehmen mit Planung, Montage und Wartung von Anlagen für die Oberflächentechnik. Der Lieferumfang umfaßt die Gesamtpalette vom Einzelbehälter bis zur vollautomatischen Anlage mit automatischer Beschickung und den entsprechenden Handlingsystemen.

Gestell in gekippter Stellung zum AbtropfenDie Aktivitäten der Christ AG, bereits seit 1952 auf die Wasseraufbereitung spezialisiert, dehnte sich in den letzten Jahren durch die weltweite Realisierung von Großprojekten unter Einsatz von Spitzentechnologien aus Der Tätigkeitsbereich der Christ AG erstreckt sich heute von der Reinstwasseraufbereitung für Branchen wie die Mikroelektronik- und die pharmazeutische Industrie bis hin zur industriellen Abwasserbehandlung mit dem obersten Ziel der am besten geeigneten Wasseraufbereitung für eine bestimmte Anwendung oder Wiederverwendung.

 

 

Moderne Beschichtungsanlage bei der Multi-Veredelung

Die technischen Einrichtungen bei der Multi-Veredelung bestehen aus drei getrennten Anlagen: ein zweireihiger Vollautomat für Trommel- und Gestellware sowie zwei Handanlagen. Der als Gestellanlage mit dem Warenfenster 350 x 700 x 450 mm zweistraßige Automat bietet zudem die Möglichkeit ,Trommelware mit einer Schlüsselweite von 180 mm und einer Trommellänge von 530 mm mit kleinsten Perforationen zu fahren. Die Fahr- und Hubgeschwindigkeiten der vier Transportwagen wurden frequenzgeregelt ausgeführt, um der entsprechenden Warenstruktur die richtigen Heb- und Senkzeiten sowie die richtigen Abtropfzeiten für die einzelnen Behandlungsschritte mitzugeben.

Ein Mischbetrieb der Ware wurde realisiert mit der Möglichkeit einer Voroptimierung aus dem Speicher, was den Durchsatz der Anlage auf dem optimal möglichen Niveau hält. Da ein Großteil der derzeit zu bearbeitenden Ware Gewindesacklöcher aufweist, wurden die Transportwagen mit einer Kippeinrichtung von etwa 12° ausgerüstet. Die Gestaltung erfolgte so, daß die Warengestelle am Transportwagen über dem Bad gekippt werden, damit der jeweilige Elektrolyt direkt mittig über dem Bad zurückläuft. Für eine optimale fleckenfreie Trocknung wurde speziell für Teile mit kleinsten Bohrungen und Gewindesacklöchern die Trocknung über einen Vakuumtrockner favorisiert und umgesetzt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt galt naturgemäß der Minimierung des Wassereinsatzes und damit verbunden dem Abwasseranfall. Hier hat bereits die Konzeption der Firma Kistler eine Voroptimierung gebracht. Obwohl für galvanotechnisches Spülen nach wie vor die Verwendung von theoretischen Vorgaben mit entsprechenden Berechnungen und Simulationen eher Seltenheitswert besitzen, bewies Herr Kistler bei der Multi-Veredelung deren praktischen Wert. So ließ er sich von kompliziert erscheinenden Gleichungen, wie sie L. Winkler [1] dargelegt hat, nicht abschrecken und setzte sie in Verbindung mit beschriebenen iterativen Verfahren [2] und weiteren Hinweisen zur Spültechnik [3] in einer konventionellen Excel-Tabellenkalkulation zu einem Spülmodell um. Als Ergebnis erhält man daraus nach Eingabe der Variablen den Zustand in jeder Wanne für 2000 Spülschritte. Die entsprechenden Grafiken lassen sich dann sehr schön interpretieren und die optimalen Werte, wie Anzahl Kaskaden, Kaskaden-Spülwassermenge, Konzentratanfall, Einschleppung in das Kreislaufwasser usw. für einzelne Spülblöcke vorausbestimmen. Zur Kontrolle der Resultate wurden die separaten Berechnungen der erwähnten Autoren verwendet. Es herrscht praktisch vollständige Übereinstimmung.

Allerdings wurden dabei auch Positionen gefunden, die aufgrund ihrer Konzentration und Benützungshäufigkeit lediglich eine einzige Standspüle benötigten, ohne daß nennenswerte Mengen an Aktivsubstanzen in das Kreislaufwasser gelangen! Da drei Spülschritte vorgeschrieben sind mußte die neue Technik glaubhaft gemacht werden. Als Beweismittel dafür dienten dann die ausführlichen Berechnungen und Grafiken, welche den Fachleuten des Gewerbeaufsichtsamtes und des Landratsamtes anläßlich der ersten Projektbesprechung vorstellt werden konnten. Dank der lobenswerten, umsichtigen und kompetenten Arbeit dieser Leute wurde das Projekt dann auf Anhieb genehmigt.

Neben den aus den Berechnungen abgeleiteten Spülsituationen sind selbstverständlich auch die neuesten Anlagentechniken vorhanden. Die Gesamtwasserzufuhr zur Anlage wird über die SPS-Steuerung verriegelt. Spülwasser wird nur dann zugeführt, wenn Ware für den Spülprozeß bereits ein Aktivbad verlassen hat. Über diese Minimierung hinaus wird das Wasser zur Mehrfachnutzung in Kaskade geführt. Hierdurch entsteht in der ersten Spüle nach dem Aktivbad ein Halbkonzentrat, mit dem die Verdunstungsverluste der warmen Aktivbäder ergänzt werden.

Die Betrachtungen zum Wassermanagement waren unerläßlich um die Zielsetzung aller Parteien zu erfüllen, möglichst wenig Wasser zu verbrauchen und andererseits mit der Aufbereitung Wasser in geeigneter Qualität und Menge für jede Prozeßphase der Oberflächenbehandlung zur Verfügung zu stellen. Nur der direkte Einbezug des Wasseraufbereitungs-Engineerings in dasjenige der Spültechniken erlaubte eine genaue Definition der Anforderungen und damit der geforderten Wasserqualitäten. Hierbei wurde auch ein derzeit stattfindender Umdenkprozeß weiterverfolgt, nachdem die Definition der Wasserqualität in direktem Zusammenhang zu seiner Verwendung steht. So findet man durch den gesamten Prozeß hindurch die Bezeichnungen Netzwasser, Reinwasser, entsalztes Wasser, destilliertes Wasser u.ä. und schließlich industrielles Abwasser.

Die Wasserbewirtschaftung bei der Multi-Veredelung ist gesichert von der Reinwasseraufbereitung für die Reinstspülungen bis hin zur Abwasseraufbereitung mit internen Wasserkreisläufen unterschiedlicher Qualitäten:
 


Die Wasseraufbereitungsanlagen gliedern sich in folgende Untergruppen:

Die AbwasseranlageDer oberste Vorzug dieser Verkettung von Produktion / Spültechniken / Wasseraufbereitung und -behandlung ist die gute Bewirtschaftung der Gesamtheit der Prozeßflußmittel. Dadurch ergibt sich eine Rohwasserersparnis, eine Reduktion der Betriebskosten sowie einen limitierten Verwurf in die Kanalisation. Durch die eingesetzte Automatisierung der Wasseraufbereitungsanlagen können zudem die Prozeßrisiken auf ein Minimum reduziert werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß die Investitionen für die Einrichtungen und die Betriebskosten der Abwasserbehandlung nicht höher sind, als für eine konventionelle Einleiteranlage.

 

Bestätigung der Konzeptionen

Eine ausgezeichnete Bestätigung für die offensichtlich korrekt ausgelegte Spültechnik wurde inzwischen bewiesen: Erst nach drei Monaten Produktion mußten die ersten zwei von fünf Ionenaustauscher regeneriert werden! Das heißt, die Ausschleppungen werden entweder direkt zurückgeführt oder via Überlauf der ersten Standspüle im artgetrennten Stapeltank aufgefangen.

Eine zweite Bestätigung ergab sich für die korrekte Teilstromführung und Rückgewinnung: Durch die konsequente Trennung der verschiedenen Medien werden die Wertstoffe Kupfer, Silber, Gold und Nickel einzeln elektrolytisch rückgewonnen. Die entmetallisierten Medien werden nun entgiftet und als Destillat aus dem Vakuumverdampfer wieder zum Einsatz an z.B. Vorbehandlungsbädern eingesetzt. Die zu kanalisierende Menge macht so nur noch einen sehr geringen Bruchteil der sonst üblichen Menge aus.

Damit zeigt sich vor allem für den Betreiber Multi-Veredelung die für die Zukunft wichtige Erkenntnis, daß eine konsequente Betrachtung der Spültechnik finanzielle und qualitative Vorteile bringt! Somit kann sich das Unternehmen voll auf die Belange der Kundschaft und die Herstellung von hochwertigen Beschichtungen konzentrieren. Die eingesetzte moderne Technologie, welche ihresgleichen sucht und über Jahre auch verschärften gesetzlichen Anforderungen genügen wird, dürfte dem neuen Unternehmen den Bestand im Wettbewerb sichern.

Darüber hinaus zeigt es sich einmal mehr, daß auch ohne staatliche Förderung und aufwendige Propaganda, Unternehmen der Galvanotechnik in der Lage sind, den Umweltschutzgedanken effektiv umzusetzen. Der Multi-Veredelung ist es hier gelungen, den neuen Fertigungsbetrieb nahezu abwasserfrei zu realisieren. Die Leistungen und vor allem auch das Erscheinungsbild mit den aufgezeigten Bemühungen im Umweltschutzbereich führten bereits zu einer ersten sehr positiven Resonanz bei einem Tag der offenen Tür im näheren Umfeld des neuen Unternehmens.